Qualitätsentwicklung durch Akkreditierung oder mit Hilfe von Hochschulnetzwerken?
Transfertagung des Netzwerk Quality Audit in Potsdam
Kann in 15 Minuten sinnvoll über die Akkreditierung von Studiengängen entschieden werden? Was können Hochschulnetzwerke für die Qualitätsentwicklung leisten? Bei der Transfertagung „Netzwerke als Motor der Qualitätsentwicklung – Chancen und Herausforderungen unter neuen Rahmenbedingungen“ suchten die 150 Teilnehmer*innen nach Antworten.
Mehr Unterstützung, statt Kontrolle
Im Zuge der Restrukturierung des Akkreditierungswesens wurden Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse von Ländern, Akkreditierungsrat und Agenturen neu definiert. Die Tagung widmete sich der Frage, wie die zukünftige Praxis des Akkreditierungswesens in Deutschland aussehen wird. Im Rahmen eines Streitgesprächs prognostizierte der Vorsitzende des Akkreditierungsrates Prof. Dr. Reinhold Grimm, dass das Akkreditierungssystem an Zustimmung gewinnen werde. Die neuen Regelungen böten den Hochschulen mehr Spielräume. Die Zuständigkeiten seien jetzt klarer. Die Vertreter der Hochschulen zeigten ihre Zweifel, dass gute Entscheidungen über die Akkreditierung von Studiengängen in 15 Minuten getroffen werden können.Jasmin Usainov, verantwortlich dafür, dass die Studierendenperspektive bei Akkreditierungsentscheidungen berücksichtigt wird, befürchtete, dass sie ihren Job aufgrund der hohen Anzahl an Anträgen zukünftig nicht mehr zufriedenstellend durchführen können wird. Im Unterschied zu den anderen Mitgliedern der Akkreditierungskommission fehle es ihr an Mitarbeiter*innen, die die Anträge vorprüfen können. Auch Prof. Dr. Andreas Musil, Vizepräsident der Universität Potsdam, erwartete, dass der Akkreditierungsrat seine Aufgabe der Qualitätssicherung aufgrund knapper Ressourcen nur zurückhaltend wahrnehmen können wird. Er sprach sich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Akkreditierungsrat und Agenturen sowie zwischen Agenturen und Hochschulen aus und warnte davor, Fragen der Qualitätssicherung gerichtlich zu klären. Prof. Dr. Reinhard Zintl, Vertreter der Agenturen im Akkreditierungsrat, betonte, dass Qualität nur durch Gewaltenteilung und Differenzierung von Aufgaben vorangebracht werden kann. Er wies auf die Schwierigkeit der Akkreditierung von Qualitätsentwicklung hin und legte dem Akkreditierungsrat nahe, sich zunächst auf die Überprüfung der Mindeststandards zu konzentrieren. Von den Gutachter*innen in Akkreditierungsverfahren wünschte er sich, dass diese ihre Aufgabe weniger kontrollierend, dafür stärker fragend und unterstützend wahrnehmen.
Netzwerke zur Weiterentwicklung nutzen
Qualitätsentwicklungsansätzein Studium und Lehre. In den letzten Jahren haben sich mehrere Hochschulnetzwerke mit dem Fokus Qualitätsentwicklung gebildet. Sie erproben z.B. Verfahren der gegenseitigen Beratung, des Lernens durch Vergleichs sowie der Auditierung. In seinem Einführungsvortrag „Qualitätsentwicklung als Lernprozess“ wies Prof. Dr. Markus Reihlen, Professor für strategisches Management und Vizepräsident an der Leuphana Universität Lüneburg, darauf hin, dass mit der Qualitätssicherung konkurrierende Ziele verfolgt werden. So sei es in einer Situation, in der die Erfüllung von Mindeststandards überprüft wird und sich eine Organisation legitimieren muss, schwierig eine konstruktive Fehlerkultur zu entwickeln. Dies wiederum sei aber die Voraussetzung für Lernen. Mit Hochschulnetzwerken, wie dem Netzwerk Quality Audit, verbindet er die Chance, soziales Lernen zu befördern und „funktionaler Dummheit“, einem Verhalten, welches in Organisationen zunächst nützlich erscheint, langfristig aber große Entwicklungsprobleme mit sich bringt, entgegenzuwirken.
Mit Studierenden auf Augenhöhe
Arbeitsgruppen lieferten verschiedene Hochschulen wie auch Studierende Einblicke in ihre Netzwerkpraxis. Die anwesenden Studierenden von verschiedenen Universitäten betonten, dass Qualitätsentwicklung gemeinsam mit Studierenden nur funktioniert, wenn man Foren hat, in denen man auf Augenhöhe und offen miteinander kommunizieren kann. Die Arbeitsgruppen der Tagung boten für die Anwesenden eine gute Gelegenheit dies zu praktizieren.
Alternative Akkreditierungsverfahren in Hochschulkooperationen
Ende 2015 hat der Akkreditierungsrat Hochschulen im Rahmen einer Experimentierklausel dazu eingeladen, innovative Formen der externen Begutachtung zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Vier Verfahren wurden im März 2016 ausgewählt. In der Arbeitsgruppe „Alternative Akkreditierungsverfahren in Hochschulkooperationen“ stellten die vom Akkreditierungsrat bewilligten Projekte „European Quality Audit“ und „Kollegiales Audit“ ihre Ansätze vor. In der anschließenden Diskussion wurden verschiedene Fragen diskutiert. Dabei wurde festgestellt, dass es auch in alternativen Verfahren wichtig ist, dass die Akkreditierungskriterien eingehalten werden. Es wurde für eine Trennung von prüfenden und entwickelnden Perspektiven plädiert, um Inkompatibilität zu vermeiden. Es wäre wünschenswert, wenn die Systemakkreditierung sich, so wie die alternativen Verfahren, hin zu einer ganzheitlichen Perspektive entwickeln würde. In der Arbeitsgruppe wurden auch internationale Erfahrungen thematisiert. Diese können einen erheblichen Mehrwert für die Qualitätssicherung und –entwicklung bieten.
Offenheit von Hochschulnetzwerken
Die dritte Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Frage nach dem optimalen Mix von Homogenität und Heterogenität von Hochschulnetzwerken. Die Praxisbeispiele von ComO-QM und dem Verbund Norddeutscher Universitäten dienten hierzu als Grundlage. Hierbei wurde deutlich, dass eine optimale Größe immer von der Zielsetzung abhängt. Wenn diese großes Vertrauen erfordert, ist ein kleines Netzwerk sinnvoll. Der reine Austausch kann auch in großen Netzwerken erfolgen. Die Offenheit hat auch einen Einfluss auf die Verwertbarkeit von Ergebnissen. Wenn die Mitglieder eines Netzwerks zu heterogen sind, kann das dazu führen, dass die Ergebnisse nicht überall adaptiert werden können.
Das vollständige Programm der Transfertagung finden Sie hier.